Skip to content Skip to main navigation Skip to footer

Anhausen 19.11.2023 Rede Volkstrauertag

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,

ich darf Sie zur heutigen Gedenkfeier anlässlich des Volkstrauertages 2023 recht herzlich begrüßen und freue mich, dass Sie der Einladung seitens der Ortsgemeinde Anhausen so zahlreich gefolgt sind.

Vorab möchte ich mich aber recht herzlich beim Posaunenchor und dem Chörchen der Ev. Kirchengemeinde, sowie beim Burschenverein Anhausen für die Mitwirkung an dieser Gedenkfeier bedanken.

Beginnen möchte ich die Gedenkfeier mit einer Schweigeminute für alle Opfer, die durch Krieg, Gewalt, Terror, Hunger, Not und Elend ums Leben gekommen sind, in der Vergangenheit und vor allem in der Gegenwart.

Schweigeminute!

 

In letzter Zeit kommt immer häufiger die Frage auf:

„Ist unser gemeinsames Gedenken am Volkstrauertag noch zeitgemäß?“

 

Noch nie in der Geschichte hatten wir über einen solch langen Zeitraum keinen Krieg in unserem Land.

 

„Was wollen wir mit diesem Gedenktag eigentlich erreichen?“

  

Durch unser Gedenken und unsere Erinnerung bleiben die Opfer und die Hintergründe ihrer Schicksale in unserem Bewusstsein.

 

Welche abscheulichen Verbrechen gegen die Menschlichkeit ein Krieg hervorrufen kann, hat der Holocaust während des 2. Weltkrieges gezeigt. Die Verfolgung und systematische Vernichtung von über 6 Millionen Juden in Europa und vieler weiterer Minderheiten ist das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte.

In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 (das war die Reichspogromnacht) brannten jüdische Geschäfte, Wohnhäuser und Synagogen.

Auch in Anhausen gab es Gewalt gegen jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger.

So wurde das Wohnhaus von Samuel Kahn stark beschädigt und die jüdischen Einwohner in der ehemaligen Synagoge eingesperrt.

Wir müssen aus der Vergangenheit Lehren für die Gegenwart und Zukunft ziehen und dürfen nicht in Vergessenheit geraten lassen, was geschah.

 

Ehren wir das Andenken aller im Krieg Getöteten, gleich ob Soldaten, Frauen und Kinder. Gleich welcher Nationalität, Hautfarbe oder Religion.

 

Gedenken wir auch all der Menschen, die Schutz vor Krieg und Gewalt gesucht haben und Opfer von Fremdenhass geworden sind.

 

 

Unser Gedenken ist gleichzeitig eine Aufforderung an uns alle, dass es eigentlich nie mehr zu solchen Verbrechen an die Menschheit kommen darf.

Ich sagte „eigentlich“, denn die Realität sieht anders aus!

 

Auch 2023 finden auf unserem Planeten Kriege statt. Kriege mit all den schrecklichen Folgen, die Kriege haben:

– Gewalt, Brutalität, Folter, Unterdrückung und Tod.

  

Gibt es überhaupt eine Berechtigung für Krieg?

Gibt es den gerechten Krieg?

Den Befreiungskrieg?

 

Ich denke NEIN.

 

Kriege beseitigen keine Unterdrückung – sie kehren sie nur um.

Kriege beseitigen keine Armut – sie vermehren sie.

Kriege beseitigen keinen Hunger – sie vermehren ihn.

Kriege schaffen Wohlstand für Wenige und Armut für Viele.

Kriege kennen keine Gewinner, sondern nur Verlierer.

 

Wenn wir an Krieg und Terrorismus denken, dann haben wir immer auch die Demokratie vor Augen. Denn sie und ein vereintes Europa ist der wichtigste Schutz gegen solche Entwicklungen. Die Demokratie gehört, folgerichtig, auch zu den ersten Opfern autoritärer Machtansprüche.

In einer funktionierenden Demokratie können sich diese aber nie durchsetzen. Unser Gedenken an den Krieg und seine Opfer ist also stets verbunden mit dem Kampf um die Demokratie und ein vereintes Europa.

Die Vergangenheit hat uns gelehrt, wie schnell es geht, die Demokratie in Frage zu stellen und am Ende ganz abzuschaffen. Das dürfen wir nicht zulassen, dagegen müssen wir uns mit wehren, wenn wir uns die Freiheit bewahren wollen.

Gedenken spielt dabei eine wichtige Rolle, denn es schärft unseren Blick und unsere Sinne, es ist ein Warnruf, ein immer neuer Anstoß, uns der Vergangenheit zu stellen und sie lebendig zu halten. Das sind wir den Opfern schuldig, aber auch uns selber und unseren Nachkommen, die im wachen Wissen um die Geschichte in einem freien demokratischen Deutschland und Europa aufwachsen mögen.

Wir müssen uns darüber im Klaren sein, wohin Verblendung, Intoleranz, Fremdenfeindlichkeit, Hass und Gewalt gegenüber Andersdenkenden oder Menschen anderer Herkunft oder gegenüber Schwachen führen.

 

 

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, wir brauchen kein „System Höcke“, der wieder von einem 1000jährigen Reich spricht und das Holocaust-Denkmal in Berlin als ein „Denkmal der Schande“ bezeichnet. Es sind die Wölfe im Schafspelz, wie Reichsbürger, Neonazis, rechte Teile der AFD und Populisten, die unsere demokratische Grundordnung in Frage stellen und unsere Gesellschaft spalten wollen. Wo dies hinführt, hat die Vergangenheit gezeigt. Dagegen müssen wir wehrhaft bleiben und solchem Bestreben gemeinsam entgegentreten.

 

Wir alle sind aufgefordert, jederzeit und überall unseren Beitrag zum Erhalt des Friedens, unserer Demokratie und für ein vereintes Europa zu leisten.

 

In diesem Sinn wünsche ich uns allen eine Gute und vor allem friedliche Zeit.

 

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Redetext: Ortbürgermeister Anhausen Heinz-Otto Zantop

Zurück zum Anfang